Fachartikel zu Silikonschaltmatten und Folientastaturen
Silikonschaltmatten vs. Folientastaturen in der Medizintechnik
Eine Entscheidungshilfe für Entwickler
Publiziert in der Meditronic 05/2023 Artikel als .pdf >>
In der Medizintechnik sind Tastaturen und Benutzeroberflächen ein unverzichtbarer Aspekt des Gerätedesigns. Diese Komponenten müssen nicht nur funktional und zuverlässig sein, sondern auch den hohen Standards für Hygiene und Benutzerfreundlichkeit genügen, die in klinischen Umgebungen erforderlich sind. Von Ultraschallgeräten über Patientenmonitore bis hin zu Bettensteuerungen – die Mensch-Maschine-Schnittstelle ist ein kritischer Faktor für die Qualität der Patientenversorgung. Hygiene steht an vorderster Stelle, wenn es um medizinische Tastaturen geht. Krankheitserreger können auf Oberflächen überdauern und potenziell zu Infektionen führen. Das macht es unerlässlich, Materialien und Technologien zu verwenden, die leicht zu reinigen sind. Darüber hinaus müssen diese Oberflächen resistent gegen aggressive Reinigungs- und Desinfektionsmittel sein, die in medizinischen Einrichtungen häufig eingesetzt werden.
Klassische Eingabekomponenten: Folientastaturen und Silikonschaltmatten
Zumeist wird dabei auf klassische Eingabekomponenten gesetzt: Folientastaturen und Silikonschaltmatten. Beide Technologien haben ihre eigenen Stärken und Schwächen, und die Wahl der geeigneten Tastaturlösung hängt von einer Reihe von Faktoren ab, darunter Stückzahl, Budget, technische Anforderungen und das spezifische Einsatzgebiet des Geräts.
Aufbau einer Folientastatur
Folientastaturen
Folientastaturen sind oft die erste Wahl für Anwendungen, bei denen eine flache Eingabelösung und einfache Montage gewünscht ist. Oft lassen sie sich durch Aufkleben auf ein Standardgehäuse integrieren, was sie besonders attraktiv für Anwendungen macht, bei denen schnelle Lösungen oder Anpassungen erforderlich sind. Die Folientastatur besteht aus mehreren Einzelschichten, die zu einem sehr flachen Gesamtaufbau zusammengesetzt werden. Durch spezielle Drucktechniken können komplexere Schaltpläne direkt auf die Folie gedruckt werden. Die oberste Schicht ist oft aus strapazierfähigem Polyester oder Polycarbonat gefertigt und kann mit antimikrobiellen Wirkstoffen behandelt werden, um die Verbreitung von Keimen einzuschränken. Geprägte Tasten sorgen für ein haptisches Feedback, das benutzerbedingte Eingabefehler minimiert. Zusätzlich können Schnappscheiben aus Metall eine akustische Rückmeldung durch ein “Knack” Geräusch bieten, was besonders in Umgebungen mit hoher Betätigungsfrequenz von Vorteil ist. Auch die Integration von flachen Signalgebern ist für eine akustische Rückmeldung möglich.
Folientastaturen in medizinischen Anwendungen
Beleuchtete Folientastaturen
Die Raumbeleuchtung in medizinischen Arbeitsumgebungen ist oft gedimmt, daher ist die Beleuchtung der Eingabeelemente unerlässlich. Die Folientastatur punktet hier durch die einfache Integration von LED’s zur Hinterleuchtung von Tastensymbolen oder für Statusmeldungen. Daneben erhält der Anwender durch integrierte LED’s auch ein optisches Feedback.
Komplexere Menüführungen können durch die Ergänzung der Folientastatur mit einem Touch-Display erleichtert werden. Die Folientastatur ermöglicht schnellen Zugriff auf wiederkehrende Eingabebefehle und voreingestellte Parameter, während das Touch-Display grafische Visualisierungsmöglichkeiten für interaktive Kommunikation bietet.
Verträglichkeitsabschirmung (EMV) bei Folientastaturen
Bei der gleichzeitigen Verwendung mehrerer elektrischer Quellen an einem Ort, wie zum Beispiel im Operationssaal, können unzureichende Abschirmungsmaßnahmen gegen elektrische oder elektromagnetische Einflüsse zu Beeinträchtigungen und Störungen der einzelnen Geräte führen. Zur Gewährleistung einer störungsfreien Funktion einer Folientastatur in diesem Umfeld wird eine elektromagnetische Verträglichkeitsabschirmung (EMV) eingesetzt, die unter anderem aus einer mit Aluminium oder Kupfer beschichteten Polyesterfolie besteht. Diese Schutzfolie verhindert nicht nur das Eindringen unerwünschter Signale in das Gerät, sondern minimiert auch mögliche Störungen in der eigenen elektromagnetischen Umgebung. Preislich sind Folientastaturen im Vergleich zu Silikonschaltmatten, bei kleinen bis mittleren Stückzahlen im Vorteil, da sie weniger hohe Anfangsinvestitionen erfordern.
Silikonschaltmatten
Silikonschaltmatten in medizinischen Anwendungen
Hygieneanforderungen
Bezüglich der Hygieneanforderungen könnte die Verwendung von Silikonschaltmatten in der Medizintechnik zunächst als suboptimal erscheinen. Die Sorge liegt dabei insbesondere in potenziellen Hohlräumen und Fugen, die bei der Integration in ein Gehäuse entstehen könnten. Diese könnten vermeintlich nicht ausreichen, um den hohen hygienischen Standards der Medizintechnik gerecht zu werden. Darüber hinaus sind die initialen Investitionen in Werkzeuge und Formen für Silikonschaltmatten nicht zu unterschätzen, was sie für Kleinserien kostspielig macht. Allerdings zeigt sich, dass Silikonschaltmatten bei höheren Produktionszahlen bemerkenswert kosteneffizienter als Folientastaturen sind.
Tastendesign von Silikonschaltmatten
Silikonschaltmatten für flexibles Design
Ein weiterer entscheidender Vorteil von Silikonschaltmatten besteht in ihrer außerordentlichen Designflexibilität und Anpassungsfähigkeit. Im Gegensatz zu Folientastaturen, die physische Limitierungen insbesondere in der räumlichen Ausdehnung der Tasten haben, bieten Silikontasten eine erhebliche Freiheit in der Gestaltung und ermöglichen Tasten mit einer Höhe von mehreren Zentimetern. Diese Flexibilität erstreckt sich über ein breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten: von variablen Tastenformen und Tastengrößen bis hin zu individuellen Farboptionen und spezifischen Oberflächenstrukturen. Zusätzlich ermöglichen gezielte Erhebungen oder Vertiefungen in den Tasten ein differenziertes haptisches Feedback, welches die Benutzererfahrung signifikant steigert. Darüber hinaus bieten spezielle Oberflächenbeschichtungen wie Polyurethan (PU) oder Epoxydharz einen dauerhaften Schutz gegen mechanischen Abrieb.
Auch die Integration moderner Beleuchtungstechnologien wie Status-LEDs oder Hinterleuchtung in Kombination mit transparenten Elastomeren ist problemlos möglich.
Um Spalten und Lücken im Gehäuse effektiv abzudichten und die darunterliegende Elektronik vor Feuchtigkeit zu schützen, können einzelne Tasten mit peripheren Dichtungen ausgestattet werden. Dies ist ein kritischer Faktor, insbesondere in medizinischen Umgebungen, wo die regelmäßige Reinigung und Desinfektion der Geräte unabdingbar ist.
Mehr zu Silikonschaltmatten ? – Artikel: Silikonschaltmatte – Ein Klassiker mit Zukunftspotenzial
Mehrkomponentenspritzguss-Technologie für vielfältige Integration
Das Verfahren des Umspritzens eröffnet zudem völlig neue Perspektiven, insbesondere im Hinblick auf Handheld-Geräte, Desktop-Tastaturen und größere Bediengeräte wie Ultraschallgeräte. Dabei wird ein flaches Tastaturlayout direkt auf die Frontplatte des Gehäuses appliziert. Nach dem Einbau der Elektronik erfolgt die Verschweißung mit der Rückschale im Ultraschallverfahren. Dies führt zu einer nahtlosen Verbindung der einzelnen Komponenten und einer Oberfläche, die vollständig abgeschlossen ist.
Die resultierenden Tastaturen sind äußerst widerstandsfähig gegen das Eindringen von Wasser und Staub und ermöglichen daher eine gründliche und umfassende Reinigung. Mit einer Schutzklasse von bis zu IP68 ist sogar eine Tauchdesinfektion realisierbar. Je nach Wahl des Silikonmaterials ist zudem eine Dampfsterilisation möglich, wodurch initial vorhandene Bedenken bezüglich der Hygiene-Eignung weitestgehend entkräftet werden kann.
Patientenarmband im Mehrkomponentenspritzguss mit aufgespritzten Tastenlayout
Ein weiteres Merkmal der Mehrkomponentenspritzguss-Technologie ist die Effizienz der Fertigung: Hier muss lediglich ein Bauteil entwickelt und produziert werden. Dies reduziert nicht nur die Anfangsinvestitionen, sondern senkt auch den Ressourcenaufwand für Produktion und Qualitätssicherung signifikant. Die Skalierbarkeit dieses Ansatzes kann die initialen Kosten für Werkzeuge und Formen oft mehr als ausgleichen, sodass diese Methode als eine wirtschaftliche Alternative zu separaten Folientastaturen und Gehäusekomponenten angesehen werden kann.
Frontplatte mit aufgespritztem Tastaturlayout und integrierten Steckverbinder
Zusätzlich erlaubt die Technologie eine nahtlose Integration von zusätzlichen Funktionselementen wie zum Beispiel magnetischen Steckverbindern, die nur eine minimale Einbautiefe benötigen, aber eine robuste Verbindung sicherstellen. Dies vereinfacht die Konstruktionslogik und optimiert den Platzbedarf im Gerät. In medizinischen Anwendungen bieten diese Steckverbinder dank ihrer leicht zu reinigenden und desinfizierbaren Oberflächen eine überzeugende Alternative zu herkömmlichen Stecksystemen, deren Ecken und Kanten ein Kontaminationsrisiko darstellen könnten. Deren Reinigungseffizienz kann sogar noch durch den Einsatz spezieller Dichtungen oder direktes Umspritzen des Steckverbinders gesteigert werden.
Kein einfaches Entweder-Oder
Sowohl Folientastaturen, als auch Silikonschaltmatten bieten eine hohe Langlebigkeit und Zuverlässigkeit, weshalb die Wahl zwischen ihnen kein einfaches Entweder-Oder ist. Vielmehr bedarf es einer sorgfältigen Analyse der spezifischen Bedürfnisse des jeweiligen medizinischen Geräts. Faktoren wie Bedienbarkeit, Nutzungskontext und Kostenstruktur sollen in einem ganzheitlichen Ansatz über den gesamten Produktlebenszyklus betrachtet werden, um die optimale Tastaturlösung auszuwählen. In dieser komplexen Entscheidungslandschaft kann sowohl die Folientastatur als auch die Silikonschaltmatte, jeweils technologisch und ökonomisch die überzeugendere Optionen sein. Die endgültige Entscheidung hängt letztlich stark von den individuellen Anforderungen und Bedürfnissen des jeweiligen Projekts ab.
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