Hygiene, Funktionssicherheit und Usability – Tastaturen in der Medizintechnik
Erschienen im meditronic-journal 3/2021: Artikel als .pdf >>
Der Anspruch an Geräte in der Medizintechnik ist seit jeher enorm hoch. Nicht auszudenken, wenn ein Beatmungsgerät einfach seine Funktion aufgibt, oder ein Eingabefehler bei einer Infusionspumpe zu einer Überdosierung führt. Leitgebend sind hier die drei Parameter: Hygiene, Funktionssicherheit und Usability. Fast schon obligatorisch sind hygienisch geschlossene Benutzeroberflächen mit einer hohen Reinigungsmittel- und Desinfektionsmittelbeständigkeit, denn viele Viren können mehrere Stunden auf Oberflächen überleben.
Je nach Einsatzfeld sind die Bediengeräte täglich mehreren Personenzugriffen ausgesetzt und können so zum Krankheitsüberträger werden. Außerdem soll die MMI-Schnittstelle eine zuverlässige Funktionssicherheit, sowie intuitive Bedienbarkeit aufweisen. Denn gerade in Notfallsituationen, wo die Anwender unter Zeitdruck und Stress stehen, sowie oft verschiedene Geräte gleichzeitig bedienen müssen, kann eine komplizierte Gestaltung Fehleingaben fördern. Neben reinen displayorientierten Bedientechnologien, spielen nach wie vor klassische Eingabeelemente zur Steuerung von medizinischen Geräten daher eine wichtige Rolle. Egal ob Ultraschallgeräte, Patientenmonitore oder Bettensteuerungen – die meisten Mensch- Maschine-Schnittstellen werden in der Medizintechnik weiterhin mit einer klassischen Tastatur realisiert bzw. ergänzt.
Folientastaturen
Aufgrund ihrer vielfältigen Design und Ausstattungsoptionen ist die klassische Folientastatur eine bevorzugte Wahl im medizinischen Umfeld. Eine Folientastatur besteht aus mehreren Einzelschichten, die übereinander gelegt werden und dadurch den Gesamtaufbau ergeben. Durch den Einsatz von Werkzeugen kann sie nahezu jede beliebige Form annehmen. Die Dekorfolie, als oberste Lage, besteht aus äußerst strapazierfähigem Polyester oder Polycarbonat und wird, um einen höchstmöglichen Schutz vor Abrieb zu gewährleisten, auf der Rückseite bedruckt. Zusätzlich kann das Material mit einem antimikrobiellen Wirkstoff ergänzt werden und so die Verbreitung von Keimen einschränken bzw. beseitigen.
Haptisches Feedback von Folientastaturen
Der Anwender profitiert bei einer Folientastatur von einem haptischen Feedback, so dass benutzerbedingte Eingabefehler vermieden werden können. Für eine sichere Fingerführung und taktile Rückmeldung sorgen geprägte Tasten. In Ergänzung mit Schnappscheiben aus Metall erfolgt zudem eine akustische Rückmeldung durch ein „Knack“- Geräusch. Die Metallschnappscheiben gibt es in den verschiedensten Größen, Formen und Betätigungskräften. Sie werden bevorzugt für Anwendungen mit einer hohen Anzahl an Betätigungen eingesetzt.
Kapazitive Lösungen
Mechanische Schiebe- und Drehregler können ebenfalls in eine Folientastatur integriert werden, jedoch bietet sich in hygienesensiblen Bereichen eine kapazitive Lösung mit geschlossener Oberfläche an. Denn gerade Erhebungen, Lücken und Spalten, die herkömmliche Regler und Drehgeber mit sich bringen, bergen eine hohe Kontaminierungsgefahr. Auch Cursortasten können mit einer kapazitiven Lösung realisiert werden und die klassische Maus als Eingabeeinheit ersetzen. Weiterer Pluspunkt dieser Technik ist eine erhöhte Lebensdauer, da keine mechanische Abnutzung stattfindet. Ein akustisches oder optisches Feedback kann der Anwender zudem durch die Integration von LEDs oder Signalgebern erfahren.
Touch-Displays mit Tastatur
Wenn komplexere Menüführungen gefordert sind, kann die Folientastatu mit einem Touch-Display ergänzt werden. Die Folientastatur als Tastenfeld erlaubt den schnellen Zugriff auf wiederkehrende Eingabebefehle oder voreingestellte Parameter, das Touch-Display mit seinen grafischen Visualisierungsmöglichkeiten eine interaktive Kommunikation. Für eine geschlossene Oberfläche wird die Verbindung von Folie und Display durch integrierte Sichtfenster mit einer hochtransparenten Klebeschicht realisiert. Je nach Anforderung können diese Fenster glänzend, matt, entspiegelt, kratzfest, UV-beständig und farbig individuell spezifiziert werden. Die Folientastatur übernimmt auch bei ausgeschaltetem, schwarzem Display maßgebliche Designaspekte. Auch wenn die Funktionssicherheit im Fokus steht, trägt das Produktdesign als Faktor zur Kaufentscheidung bei. Wichtig ist hier zudem die Berücksichtigung interkultureller Unterschiede der Anwender. Ein roter Startknopf wäre in Deutschland zum Beispiel unüblich, im asiatischen Raum aber nicht.
Beleuchtung der Tastatur
Die Raumbeleuchtung in medizinischen Arbeitsumgebungen ist oft abgedunkelt, so dass die Beleuchtung von Eingabeelementen unabdingbar für eine sichere Bedienung ist. Hier punktet die Folientastatur durch die leichte Integration von LEDs und dem Vorteil der bedruckten Oberfläche, die auch von einem 180° gedrehten Betrachtungswinkel gesehen werden kann. Die LEDs fungieren häufig als Statusanzeige der einzelnen Tasten und haben auch bei Tageslicht eine ausreichende Helligkeit. Aber auch eine vollflächige Hinterleuchtung der Folientastatur oder einzelner Tasten ist durch die den Einsatz von LGF (Light Guide Film) möglich. Dabei bleiben die typisch flache Bauform und die Flexibilität erhalten.
Bei der LGF-Technologie werden LEDs am Rand in eine äußerst dünne, stark lichtbrechende Folie eingesetzt. Durch die hohe Lichtbrechung sind nur sehr wenige LEDs für eine homogene Ausleuchtung erforderlich. Die Hinterleuchtung jeder Taste kann in verschiedenen Farben erfolgen, zudem kommt die LGF-Technologie ohne hochfrequente Wechselspannungsquelle aus. Eine Besonderheit sind Beschriftungen mit Verschwindeeffekt. Hierbei handelt es sich um eine Beschriftung, die im unbeleuchteten Zustand der Tastatur nicht erkennbar und erst bei Beleuchtung sichtbar ist. Damit kann ein eindeutiger ON/OFF-Modus signalisiert werden.
Absolut zuverlässige Eingabelösung
Eine zuverlässige und störungsfreie Funktion der Eingabegeräte, ist gerade in der Medizintechnik absolut notwendig. Folientastaturen aller Arten zeichnen sich per se durch eine hohe Lebensdauer mit über 1 Millionen Schaltspielen aus. Beim Einsatz mehrerer elektrischer Quellen an einem Ort, wie zum Beispiel im OP, kann es bei unzureichender Abschirmung gegen elektrische oder elektromagnetische Effekte zu Fehlfunktionen und Störungen der einzelnen Geräte kommen. Die EMV-Abschirmung einer Folientastatur wird unter anderem mit einer aluminium- oder kupferbeschichteten Polyesterfolie realisiert. Diese Abschirmfolie vermeidet eine Fehlfunktion des Gerätes durch das Eindringen unerwünschter Signale, sowie eine Störung in der eigenen elektromagnetischen Umgebung. In Verbindung mit integrierten Displays wird eine segmentierte EMV-Abschirmung der Tastatur und Leiterbahnen verwendet.
Komplett geschützt mit Silikonummantelung
Neben der Folientastatur als Bedienelement ist gerade bei Handheldgeräten oder Desktop-Tastaturen auch eine komplett geschlossene Silikonummantelung möglich. Ein flaches Tastaturlayout wird dabei auf die Frontplatte des Gehäuses gespritzt. Nach Einbau der Elektronik wird diese mit der Rückschale im Ultraschallverfahren verschweißt. Das Resultat ist ein optimaler Verbund zwischen den einzelnen Komponenten und eine vollständig geschlossene Oberfläche. Die Tastaturen sind gegen Wasser und Staubeintritt geschützt und ermöglichen somit eine vollständige und gründliche Reinigung. Mit einer Schutzklasse von bis zu IP68 eignen sie sich auch zur Tauchdesinfektion. Je nach verwendetem Silikon ist auch eine Dampfsterilisation möglich. In Verbindung mit einer Folientastatur oder einer reinen Touch-Lösung kann das Gehäuse mit aufgespritzten Dichtungen im Mehrkomponentenspritzguss ausgestattet werden. Die integrierte Dichtung sorgt dafür, dass keine schwer zu reinigenden Spalten entstehen und die Elektronik vor dem Eindringen von Fremdkörpern und Flüssigkeiten geschützt ist. Mit einer von vornherein gut abgestimmten Konstruktion ist hier eine Schutzklasse bis IP65 zu erreichen.
Im Fokus: Hohe Wirtschaftlichkeit von Folientastaturen
Vorteil der Mehrkomponenten-Spritzgusstechnik ist zudem, dass nur ein Bauteil konstruiert werden muss. Dies verringert die Investitionen und den Aufwand für Produktion und Qualitätssicherung erheblich. Denn letztendlich spielt bei jedem Produkt auch immer die Wirtschaftlichkeit eine Rolle. So ist zum Beispiel der finanzielle Aufwand für die Programmierung einer graphischen Benutzeroberfläche zwischen Mensch und Maschine ein nicht unerheblicher Faktor. Es gilt: Oft ist nicht alles, was technisch möglich ist, auch wirtschaftlich. Vor allem in Geräten mit einer geringen Anzahl an Funktionen, die zugleich eine gute Sichtbarkeit erfordern und in einer konstanten Benutzerinteraktion sind, bleiben bewährte Eingabekomponenten, wie die Folientastatur, daher die bevorzugte Wahl. Durch die geringeren Einmal-Werkzeugkosten bleibt der Kostenaufwand wesentlich geringer als für die meisten Alternativen – auch für Projektvolumen mit kleineren und mittleren Stückzahlen.
Tastaturlösungen gehören seit jeher zu unseren Kernkompetenzen und wir unterstützen und beraten Sie ausführlich bei der Ausstattung und der Materialauswahl. Auch die komplette Entwicklung und Konstruktion der passenden Tastatur für Ihre Anwendung können wir für Sie übernehmen. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!